Wie Weihnachten und Geburtstag an einem Tag: So fühlt es sich an, wenn Wibke Hagemann einen Auftrag für eine neue Tierart bekommt. Die 46-Jährige aus dem Münsterland ist Tiertrainerin, betreibt die Hundeschule "Canipedia" und bietet in ihrer Tiertraining-Akademie Onlinekurse an. Das Besondere: Wibke Hagemann trainiert nicht "nur" Hunde, sondern auch Zootiere wie zum Beispiel Seelöwen und Orang-Utans, Ziegen und Meerschweinchen.
Wirklich, Meerschweinchen?, werden sich jetzt vielleicht die ein oder andere fragen. Wie geht denn das?
"Mit Futter – wie bei allen anderen Tieren auch!", antwortet Wibke Hagemann dann lachend und erklärt, dass das Grundprinzip beim Training für alle Tiere gleich ist. Die Trainerin arbeitet auf der Basis positiver Verstärkung, belohnt das Tier also zum Beispiel mit einem Leckerli, wenn es das gewünschte Verhalten zeigt. Und das funktioniert eben auch bei einem Meerschweinchen, das gerade lernt, freiwillig auf eine Waage zu gehen oder sich in eine Kiste zu setzen, um zum Tierarzt zu fahren.
Ziel des Trainings ist dann, dass eine bestimmte Handlung stressfrei funktioniert – zum Beispiel dass eine Gesundheitskontrolle durchgeführt werden kann.
Tiertraining mit Exoten und heimischen Tieren
Oft geht es beim Tiertraining auch darum, das Leben der Tierbesitzer oder Tierpfleger zu erleichtern. Wibke Hagemann ist in Zoos unterwegs, in kleinen und großen, überall in Deutschland. Dort arbeitet sie vor allem mit exotischen Tieren – Affen, Zebras, Papageien. Aber sie trainiert auch Tiere, die in Europa heimisch sind: Esel, Pferde, Ziegen. Oft steht dabei im Fokus, ein spezielles Problem mit einem Tier zu lösen, zum Beispiel ein Medical Training durchzuführen.
Beim Medical Training geht es meistens darum, mit den Tierpflegern die Gabe von Augentropfen und anderen Medikamenten zu üben.
So sportlich können Nasenbären sein
Wibke Hagemann führt Trainings mit bestimmten Spezies durch und gibt Fortbildungen für neue Tierpflegerinnen und Tierpfleger. Auch unterstützt sie das Zoopersonal beim Training für Info-Fütterungen. Ein Beispiel: "Nasenbären sind ja eher als ruhige Tiere bekannt", erklärt die Tiertrainerin. "Sie können aber wunderbar klettern. Um dem Zoopublikum das näherzubringen, zeigen wir ihnen, wie ein Nasenbär von einer Plattform über einen Ast zu einer anderen Plattform klettert." Und damit das dann bei der Info-Fütterung klappt, hilft Wibke Hagemann den Tierpflegern beim Training.
"Um die jeweiligen Tiere optimal trainieren zu können, muss ich wissen, was ihr Normalverhalten ist", sagt die Trainerin. Dazu gehört, dass sie über die Pflege des Tieres Bescheid weiß: Was frisst es besonders gerne? Auch die besonderen Vorlieben oder Ängste des Tieres helfen ihr weiter. "Bei Kaninchen weiß ich zum Beispiel, dass sie Beutetiere sind", sagt Wibke Hagemann. "Das bedeutet, dass ich mich nicht über dem Tier bewegen und keine Schatten werfen sollte." Das könnte bedrohlich auf sie wirken. Bei Beutetieren komme es beim Training stark darauf an, die Umwelt sicher zu gestalten.
Auch sollte immer das Ziel des Trainings oder der Weg dorthin klar sein. "Die Methoden sind sehr komplex", sagt Wibke Hagemann. "Bei jedem neuen Fall lerne ich dazu." Eines ihrer größten Aha-Erlebnisse hatte sie beim Training mit Primaten.
Aha-Erlebnis beim Training mit Schimpansendame Nancy
Einer betagten Schimpansendame wollte sie beibringen, eine Hand in eine Schlaufe zu legen und die andere Hand zu zeigen. "Schimpansen haben oft Handverletzungen, die wir auf diese Art und Weise überprüfen können", erklärt die Tiertrainerin. Die alte "Nancy" wollte aber nicht so recht mittranieren. "Sie rutschte immer nervös auf dem Boden hin und her", erinnert sich Wibke Hagemann. "Schließlich stand sie auf und ging weg, um kurze Zeit später wiederzukommen, mit einem Riesenbündel Stroh unter dem Arm." Die Schimpansendame legte das Stroh auf ihren Sitzplatz – und ab dem Moment konnte sie wunderbar mitarbeiten. "Ich verstand: Sie hatte einfach einen kalten Popo!", sagt Wibke Hagemann.
Auch wurde der Tiertrainerin klar, dass Tiere nicht aus Ungehorsam ein Training verweigern, sondern weil sie sich nicht wohlfühlen. "Die Schimpansendame ist hochintelligent und konnte das Problem selbst lösen. Das können aber nicht alle Tiere."
Die Arbeit mit Primaten ist jedes Mal ein Highlight für Wibke Hagemann. Aber: Eine Herausforderung ist jedes neue Tier für die Trainerin. "Fuchs oder Löwe? Das ist mir egal!", sagt sie. Sie habe sich ihre Neugier bewahrt und kann immer wieder staunen, wenn sie mit einer für sie neuen Spezies arbeitet.