Katzen kann man nichts beibringen. Sie machen ja sowieso, was sie wollen. Es ist schwierig, sie trainieren. Drei Sätze, die man immer wieder über Katzen hört. Drei Sätze, die Katzentrainerin Simone Marquard so aber nicht unterschreiben würde.
Simone von "Vielfellig" trainiert Hunde und Katzen und sagt: "Eigentlich gibt es gar keinen so großen Unterschied." Klar, Katzen hätten schon andere Bedürfnisse als Hunde. Aber die Grundlagen der Lerntheorie könne man auf sie genauso anwenden wie auf Hunde. Auch viele andere Tiere – Zootiere zum Beispiel – und auch wir Menschen lernen nach ähnlichen Prinzipien.
Das Konzept der Belohnung zum Beispiel funktioniere auch bei Katzen. "Bei Belohnung denken viele sofort an Leckerchen", weiß Simone, die seit mehr als 20 Jahren mit Hunden und seit ein paar Jahren auch mit Katzen arbeitet. "Belohnung kann aber auch etwas anderes sein, zum Beispiel ein Spiel."
Das Belohnen durch Futter müssen Katzen häufig erst beigebracht bekommen. Anders als viele Hunde sind sie nicht so sehr auf Leckerchen fixiert. Auch sind sie bei der Auswahl des Futters oft wählerischer. "Viele Katzen legen sich auf ein bestimmtest Futter fest", sagt Simone. Ansonsten müsse man sich, egal welches Tier man trainiere, vor allem auf das Individuum einstellen. Auf die Spezies komme es gar nicht so sehr an.
Was unterscheidet Katzentraining von Hundetraining?
Ein wesentlicher Unterschied beim Training aber sei, dass man bei Katzen viel mehr auf Motivation und Kooperation angewiesen sei als bei Hunden. "Man muss sich mehr anstrengen. Wenn ich zum Beispiel eine Katze aus dem Schlaf holen will, um sie zu trainieren, muss ich ihr ein richtig gutes Angebot machen." Ein Locken mit Futter reiche nicht unbedingt aus. "Ich muss die Bedürfnisse meiner Katze gut kennen. Und manchmal auch den richtigen Zeitpunkt wählen, um zum Beispiel mit einem Training zu starten." Viel Aufmerksamkeit sei nötig.
Dass Katzen immer noch als schwieriger zu trainieren gelten als Hunde, erklärt Simone sich mit deren Aufzucht und Sozialisation: "Viele Hauskatzen haben eher wenig Stimulation, weniger Optionen und daher auch weniger Erfahrung." Dadurch würden sie sich in sich zurückziehen. Aber: Würde man Katzen so aufziehen, dass sie Sozialisierung und Umweltreize erfahren – zum Beispiel durch Besuche bei Freunden oder Autofahrten – sei auch ein Training leichter möglich. Oft haben die Tiere dann mehr Lust auf Neues.
In den vergangenen drei Jahren hat Simone einen deutlichen Trend hin zu mehr Katzentraining beobachtet. Sie vermutet, dass sich mehr Trainerinnen und Trainer fürs Katzentraining entschieden haben. Eventuell sei das Katzentraining auch durch den Wechsel ins Onlinetraining während der Corona-Pandemie beschleunigt worden. Katzen profitierten besonders davon, weil sie durch andere Menschen und Tiere beim Präsenztraining eher irritiert würden. Auch bei "Vielfellig" ist das Katzentraining ein reines Onlinetraining, bei dem sich Simone und ihre Geschäftspartnerin Josephine Vonberg per Video bei den Kundinnen und Kunden zuschalten.
Darum entscheiden sich Katzenbesitzer fürs Training
Die meisten Katzenbesitzerinnnen und Katzenbesitzer kommen aber erst zu Vielfellig, wenn es ein Problem mit dem Tier gebe. "Und sie bleiben, weil es ihnen Spaß macht", sagt Simone.
Eines der häufigsten Problemverhalten bei Katzen sei das Pinkeln in der Wohnung – das viele Gründe haben könne, auch körperliche. "Vielleicht hat das Tier Schmerzen beim Wasserlassen, vielleicht hat es eine stressbedingte Blasenentzündung, weil ein neues Tier eingezogen ist. Vielleicht liegt der Grund in einem einfachen Haltungsfehler, zum Beispiel, dass in der Wohnung ein Katzenklo zu wenig vorhanden ist." Die Ursachen seien komplex, das Verhalten der Katze für die Halterinnen und Halter zermürbend. Oft schickt Simone die Tiere erst einmal zum Tierarzt, um abzuklären, ob eine medizinische Ursache vorliegt.
Neben der Unterstützung bei Problemverhalten kann ein Katzentraining auch bei der Vergesellschaftung helfen. "Dabei lernt die Katze zum Beispiel, Gegenstände zu umrunden oder sich um 180 Grad zu drehen. Das können Tiere meistens nicht einfach so", erklärt Simone. Das Slalom-Laufen oder Sich-Drehen könne dabei helfen, Konflikten aus dem Weg zu gehen oder auch sich selbst als Aggressor aus einer provozierenden Situation wieder zu entfernen.
Besonders auf dem Vormarsch ist laut Simone auch das Medical Training, das Tiere auf Untersuchungen und Behandlungen beim Tierarzt vorbereitet. Dabei lernt die Katze zum Beispiel, für Behandlungen ein Bein anzuwinkeln oder auch freiwillig für den Transport in ihre Box zu gehen. "Das sollte meiner Meinung nach jeder Katzenbesitzer trainieren", sagt Simone. "Wenn eine Katze selbst in ihre Box geht, kann das lebensrettend sein, zum Beispiel wenn es mal brennt."
Katzentraining – nicht nur mit Bengalen möglich
Katzentraining schafft Probleme aus dem Weg, erleichtert aber auch die Bewältigung des Alltags. Auch intensiviert es die Beziehung zwischen Mensch und Tier und erleichtert die Kommunikation. "Ich muss meine Katze gar nicht zurückrufen, wenn sie etwas nicht machen soll", erzählt Simone. "Schon eine Kopfbewegung reicht – und sie weiß Bescheid." Durch das Training erkenne man auch leichter, wenn das Tier ein Problem hat – weil der Blick geschulter sei. Außerdem – und das wird viele Katzenbesitzerinnen und Besitzer begeistern – werde ein Tier durch das gemeinsame Training oft auch kuscheliger und komme gern und häufiger zum Schmusen.
"Das Training macht so viel Spaß!", sagt Simone. Und so kommt es, dass sie mittlerweile auch einen "Streber-Trickkurs" anbietet, in dem Menschen mit ihren Katzen alle möglichen Tricks trainieren, vom Skateboard fahren bis zum Balancieren auf zwei Seilen. "Es gibt nichts, was man mit Katzen nicht trainieren kann", sagt Simone. Egal welches Alter, egal welche Rasse, man könne mit allen Katzen ins Training starten, nicht nur mit den Bengalen, bei denen es bisher eher üblich sei als mit vielen anderen Katzenrassen. Auch mache es durchaus Sinn, mit jungen Tieren zu trainieren. So lernen die Kitten schon früh grundlegende Dinge. "Ich kenne kein gesundes Tier, das keine Lust auf Training hat." Man solle sich nur genau überlegen, was man ihnen beibringen möchte: Will ich, dass sie mir auf die Schulter springen? Will ich, dass sie das auch bei anderen machen?
Viele Missverständnisse entstehen jedoch, wenn Menschen zu viel von ihren Tieren verlangen. "Ich muss in kleinen Schritten vorgehen." Möchte man einer Katze ein "High Five" beibringen, sollte man erst einmal mit einfachen Pfotenbewegungen starten und diese schon belohnen. So wisse die Katze, dass sie auf dem richtigen Weg sei.
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"Da sind Katzen sensibler als Hunde", sagt Simone. "Sie ziehen sich eher zurück, wenn ich zu fordernd werde. Da muss ich als Mensch reflektieren, ob ich gerade vielleicht zu viel verlange." Dann sei es besser, das Training kurz zu unterbrechen und es etwas einfacher zu versuchen. Sonst bleibe das Tiere mit einer schlechten Emotion zurück und verbinde die Situation mit diesem Gefühl.
Erster Schritt zum Katzentraining
Einen Einstieg ins Katzentraining könne jede Katzenbesitzerin, jeder Katzenbesitzer mit einer einfachen Übung finden: Man könne Kartons aufstellen und die Katzen darauf Platz nehmen lassen. Ein bisschen wie in einer Löwenmanege. Wenn sie darauf sitzen, bekommen sie zur Belohnung ein Leckerchen. Vor allem wenn man diesen Trick – Simone nennt es "Stationverhalten" – mit mehreren Katzen gleichzeitig durchführt, lernen die Tiere das Warten. Das könne auch in Alltagssituationen von Vorteil sein, klassisches Beispiel: Man geht zur Wohnungstür. "Viele Katzen rennen dann los und wollen raus stürmen", sagt Simone. "Wenn ein Tier das Warten gelernt hat, kann es an der Wohnungstür sitzen bleiben."
Den Trick mit den Kartons als Hocker kann man zu Hause gut ausprobieren. "Nach ein paar Mal trainieren ist es dann meistens so, dass die Tiere schon ankommen, wenn man nur die Kartons hervorholt. Sie wissen schon: Jetzt passiert was, jetzt wird es super."
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Auch empfiehlt Simone, mit einem Clicker oder einem anderen sekundären Verstärker zu arbeiten. Jede Katze bekommt einen Klick, wenn sie auf ihrem Karton sitzt – als Zeichen, dass eine Belohnung folgt. Wenn alle sitzen, gibt es die sogenannte Lokalrunde: ein Leckerchen für jedes Tier. Der Clicker muss vor der ersten Nutzung konditioniert werden, hierzu wird einige Male erst geclickt und dann direkt ein Leckerchen gefüttert.
Um weiter ins Training einzusteigen und eine Überforderung zu vermeiden, rät Simone, sich an eine Expertin zu wenden.
Simones größtes Erfolgserlebnis beim Katzentraining
Einen ihrer größten Trainingserfolge erlebte Simone, als sie eine Tierschutzkatze auf das Blut abnehmen beim Tierarzt vorbereitete. "Das Tier mochte keinen Besuch und den Tierarzt schon gar nicht. Dort wurde es zur Furie." Den Unterschied im Training machte dann die Einführung eines "Startbutton-Verhaltens". Simone trainierte mit der Katze, dass sie selbst bestimmen durfte, wann es losgehen kann, in diesem Fall das Ablegen einer Pfote auf ein Target. "Innerhalb von wenigen Minuten lernte die Katze, dass es erst dann losgeht, wenn sie das Startbutton-Verhalten zeigt."
Die Besitzerin habe geweint, als sie das veränderte Verhalten der Katze sah. "Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle", sagt Simone. Mittlerweile geht das vorher ängstliche und aggressive Tier freiwillig in seine Transportbox, legt sich beim Tierarzt hin und lasst sich von ihm anfassen.