Inhaltsverzeichnis
- 1. Beobachte das Tier und kläre, ob es wirklich deine Hilfe braucht.
- 2. Nimm Kontakt zu einer Auffangstation oder einem Tierarzt auf.
- 3. Selbstaufzucht? Das solltest du dir gut überlegen.
- 4. Achte beim Transport des Tieres auf einige Punkte.
- 5. Überlege, wie du dein Umfeld tierfreundlicher machen kannst.
- Wieder zurück in der Freiheit
Ein junger Mauersegler ist aus seinem Nest gefallen. Ein Igel ist in eine Mausefalle getappt. Ein Rotkehlchen ist vor die Fensterscheibe geprallt. Der Fund eines verwaisten oder verletzten Tieres stellt die meisten Menschen erst einmal vor Fragen: Wie kann ich helfen? Was muss ich dabei beachten? Wohin kann ich das Tier bringen?
Dafür haben wir mit Bärbel Rogoschik vom NABU-Artenschutzzentrum Leiferde bei Gifhorn gesprochen. 2023 wurden in der Auffangstation insgesamt 3656 Tiere aus 181 verschiedenen Arten aufgenommen. Die größte Gruppe waren Vögel mit 2466 Tieren aus 95 Arten. Was mit einem Tier nach dem Fund passiert, hängt auch von seinem Alter, der Tierart und dem Grad der Verletzung ab. Wir geben dir einen allgemeinen Leitfaden, wie du beim Fund eines verwaisten, verletzten oder kranken Tier vorgehen kannst und was du unbedingt beachten solltest – zum Beispiel, dass gar nicht jedes hilfsbedürftig erscheinende Tier wirklich menschliche Hilfe braucht.
1. Beobachte das Tier und kläre, ob es wirklich deine Hilfe braucht.
Nicht immer ist eine Rettungsaktion nötig: Bei scheinbar verwaisten Jungtieren sind die Eltern manchmal doch noch in der Nähe. Oder ein Tier ist gar nicht so verletzt oder krank, wie es auf den ersten Blick scheint.
Darum: Beobachte das Tier zunächst mit etwas Abstand. Hast du einen nackten Jungvogel entdeckt, setze ihn wieder zurück in sein Nest – sofern du es findest und es für dich erreichbar ist. Schau nach, ob die Eltern des kleinen Vogels zum Nest zurückkehren und ihr Junges füttern. Sollte das auch nach längerem Warten nicht der Fall sein, kannst du noch einen weiteren Versuch unternehmen und den Jungvogel bei Eltern derselben Vogelart ins Nest setzen.
Du bist dir unsicher, ob das Tier deine Hilfe braucht oder nicht? Dann wende dich telefonisch oder per E-Mail an eine Tierauffangstation in deiner Nähe. Die Expertinnen und Experten vor Ort können dich beraten und dir helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. "Nicht immer ist ein Handeln nötig", sagt auch Bärbel Rogoschik, Geschäftsführerin des NABU-Zentrums Leiferde bei Gifhorn. Sie und ihre Kollegen bekommen zum Beispiel manchmal Meldungen über junge, verwaiste Hasen. "Die Leute berichten dann, dass die Tiere gar nicht weggelaufen sind und auch keine Eltern in der Nähe waren." Die Biologin weiß: "Das ist ganz normal. Die Kleinen können gar nicht weglaufen. Die Väter sind kurz nach der Geburt raus aus der Erziehung. Und die Mutter kommt nur ein bis zweimal in der Woche, um ihre Jungen zu füttern." Also kein Fall für eine Rettungsaktion.
2. Nimm Kontakt zu einer Auffangstation oder einem Tierarzt auf.
Das Tier ist wirklich verletzt, krank oder noch sehr jung und auf sich gestellt? Dann wende dich an eine Auffang- oder Pflegestation. Findest du nicht sofort die richtige Adresse, kannst du dich auch beim Tierschutzverein in deiner Stadt oder Gemeinde, der Polizei oder Naturschutzbehörde nach der passenden Anlaufstation erkundigen. Auffangstationen wie das Artenschutzzentrum des NABU in Leiferde nehmen das Tier kostenlos auf und versorgen es dann. "Bei der Abgabe halten wir sein Gewicht, die Ursache des Auffindens und eine eventuelle Verletzung fest", sagt Bärbel Rogoschik. Dann setzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Tier "ruhig", bringen es also in ein Gehege, und bieten im Futter und Wasser an. Auch schauen sie nach möglichen Verletzungen – wenn diese nicht vor vorneherein erkennbar sind – und behandeln diese.
"Wir haben hier gute Möglichkeiten, um die Tiere medizinisch zu behandeln", sagt die Biologin. Durch Kontakte zu einem Tierarzt in Gifhorn, der Medizinischen Hochschule in Hannover und zu einer Reptilienärztin sei die Versorgung gesichert.
Beachte: Nicht alle Tiere werden in Auffangstationen aufgenommen.
- Findest du ein Haustier wie einen Hund, eine Katze oder ein Meerschweinchen, sollest du sie ins Tierheim bringen.
- Auch invasive Tierarten – also nicht heimische Arten, die heimische verdrängen und Schäden anrichten können – werden nicht immer aufgenommen.
- Auch Wildtierarten, die dem Jagdrecht unterstehen, werden nicht in einer Auffangstation versorgt. Findest du zum Beispiel ein verletztes Reh, wende dich an die Jagdbehörde, einen Förster, Jagdpächter oder die Polizei.
In jedem Fall ist es ratsam, die Auffangstation vorher anzurufen oder anzumailen. "In manchen Jahren und bei manchen Arten ist auch schon mal die Kapazitätsgrenze erreicht", sagt Bärbel Rogoschik, "und wir können keine weiteren Tiere aufnehmen." Die Versorgung von jungen Blaumeisen zum Beispiel sei teilweise sehr aufwendig, weil sie von morgens bis abends alle 20 Minuten gefüttert werden müssten.
Gibt es in deiner Nähe keine Auffangstation oder hat die Auffangstation keine Kapazitäten mehr, wende dich an eine Tierarztpraxis in der Nähe oder einen tierärztlichen Notdienst. In diesem Fall wird dir die Behandlung aber meistens selbst in Rechnung gestellt.
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3. Selbstaufzucht? Das solltest du dir gut überlegen.
Ja, es ist möglich, Tiere mit der Hand aufzuziehen. Allerdings raten Tierschutzorganisationen wie der NABU in den meisten Fällen davon ab. Die Versorgung von Jungtieren kann sehr zeitaufwendig sein. "Manchmal machen sich Menschen gar keine Gedanken über die Folgen ihres Handelns", sagt Bärbel Rogoschik. Sie retten ein Tier und wissen nach ein paar Tagen nicht mehr, wie sie es pflegen sollen. Auch die richtige Ernährung ist oft ein Problem. Bekommen Jungvogel oder auch Säugetiere nicht das richtige Futter, kann das zu bleibenden Schäden führen und die Überlebenschance verringern. Auch kann die Haltung ohne Artgenossen und die Prägung durch den Menschen dazu führen, dass eine Auswilderung nicht mehr möglich ist. Hier wissen die Experten von Tierschutzvereinen und Auffangstationen oft einfach besser Bescheid – eine eigene Handaufzucht wird nur als absolute Notlösung betrachtet.
Beachte auch: Ein verwaistes oder verletztes Wildtier, das dem Jagdrecht unterliegt, solltest du nie selbst versorgen. Wenn du es ohne Zustimmung eines Jägers mit nach Hause nimmt, gilt das als Wilderei. Das ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld bestraft werden.
4. Achte beim Transport des Tieres auf einige Punkte.
Beim Transport des Tieres in eine Auffangstation oder zum Tierarzt kannst du auf einige Punkte achten, um die Fahrt möglichst sicher und angenehm zu gestalten:
- Setze das Tier in einen Karton mit Luftlöchern. Den Boden kannst du mit einem Handtuch oder Küchenpapier auslegen.
- Am besten sitzt das Tier beim Transport komplett im Dunklen. "Je reizärmer die Fahrt, desto besser", sagt Bärbel Rogoschik.
- Auch solltest du im Auto mit Rücksicht auf das Tier nicht rauchen.
- Stelle das Radio für die Fahrt zur Auffangstation oder zum Tierarzt lieber ab.
Tipp: Ziehe dir Gartenhandschuhe an, um das Tier anzufassen und in den Karton zu setzen.
5. Überlege, wie du dein Umfeld tierfreundlicher machen kannst.
Zu einigen Situationen muss es erst gar nicht kommen. Das beobachtet auch Bärbel Rogoschik, Geschäftsführerin des NABU-Zentrums Leiferde, bei ihrer Arbeit immer wieder. Häufig werden Tiere durch Mähroboter oder Mausefallen verletzt. Vögel verfangen sich in Netzen, die über Johannisbeer-Büschen ausgebreitet werden. Oder Jungigel verheddern sich darin, wenn die Netze später im Garten auf dem Boden liegen. "In diesen Fällen, finde ich, sollte der Gartenbesitzer sich verantwortlich fühlen und sich um das verletzte Tier kümmern", sagt Bärbel Rogoschik, "auch wenn er dann die Tierarztkosten selber tragen muss."
Als Haus- und Gartenbesitzer kannst du einiges tun, um deinen Garten tierfreundlich zu gestalten:
- Mähe den Rasen nicht sehr kurz.
- Schneide Hecken nicht vor der Brutzeit.
- Nutze tierfreundliche Pflanzenpflege.
- Lasse in Hecken Durchgänge für Tiere.
- Sichere Stellen, an denen Tiere sich verletzten könnten.
- Hänge Schmuck in deine Fensterscheiben.
Mit ein paar Verbesserungen kannst du dazu beitragen, dass es zu weniger Verletzungen bei Tieren kommt. Auch kannst du Organisationen, die sich für den Schutz und die Versorgung von Tieren einsetzt, mit einer Spende unterstützen.
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Wieder zurück in der Freiheit
Die Prognosen, ob ein junges oder verletztes Tier überlebt, sind je nach Art und Verletzung sehr unterschiedlich. "Über den Daumen gepeilt kann ich aber sagen, dass circa 50 Prozent der Tiere, die bei uns abgegeben werden, wieder ausgewildert werden", sagt Bärbel Rogoschik.
Quellen:
Nabu Artenschutzzentrum: Vogel gefunden – was tun?
Nabu Artenschutzzentrum: Tierische Notfälle
Deutscher Tierschutzbund: Verletztes Wildtier braucht Hilfe – Das können Sie tun