Schilddrüsenunterfunktionen bei Hunden sind tückisch – aus zwei Gründen: Erstens, weil sie oft erst spät erkannt werden, und zweitens, weil es häufig zu Fehldiagnosen kommt. Tierärztin Dr. Lara Steinhoff aus dem westfälischen Oelde hat das Buch "Schilddrüsenunterfunktion beim Hund" geschrieben und beantwortet im Gespräch mit Petmos die wichtigsten Fragen rund um das Thema.
Was genau bedeutet es, wenn ein Hund eine Schilddrüsenunterfunktion hat? "In der Regel handelt es sich dabei um eine Autoimmunerkrankung", sagt Lara Steinhoff. "Das bedeutet: Der Körper greift die Schilddrüse mit Antikörpern an, dadurch entzündet sie sich und wird nach und nach zerstört."
Die Krankheit schreite langsam voran und entwickle sich über Monate bis Jahre. "Weil die Schilddrüse so einen großen Speicher an Hormonen hat, kann sie noch sehr lange den Hormonspiegel im Blut aufrechterhalten", erklärt Tierärztin Lara Steinhoff. "Häufig beginnt die Zerstörung der Schilddrüse schon ungefähr im zweiten Lebensjahr. Erst wenn im Alter zwischen drei und sechs Jahren haben sie deutliche Symptome, weil die Werte dann unter den Normalbereich fallen."
Anzeichen für eine Schilddrüsenunterfunktion
Die Symptome seien ebenso vielfältig wie unspezifisch, weil die Schilddrüse auf jedes Organ Einfluss habe. Zeichen für eine Schilddrüsenunterfunktion kann sein:
- dass der Hund trotz gleichen Futters zunimmt
- dass er Fell verliert und kahle Stellen sowie Hautentzündungen auftreten
- dass seine Rute nur noch sehr kurzes Fell aufweist
- dass er Probleme mit Ohrenentzündungen hat
- dass der Zyklus einer Hündin negativ beeinflusst wird oder die Trächtigkeit
- dass der Hund ein schlechtes Immunsystem hat und Wunden nicht so richtig oder nur sehr langsam heilen
- dass er lethargisch wirkt und keine Lust aufs Training hat
- dass er Schwierigkeiten beim Lernen hat
- dass er eher reizbar, aggressiv oder ängstlich ist
Darum kann das Verhalten deines Hundes ein Warnsignal sein
Das sind die Probleme bei der Diagnose
"Eine Schilddrüsenunterfunktion ist extrem schwierig zu erkennen", sagt Lara Steinhoff. Da die Symptome so vielfältig seien, werde der Verdacht erst einmal bei vielen Hunden ausgesprochen. Nur ein kleiner Bruchteil hat aber wirklich eine Unterfunktion. Tatsächlich passen die Symptome zu vielen anderen Erkrankungen oder auch zum typischen Verhalten während der Pubertät, wenn der Hund durch die Hirnveränderung ein anderes Verhalten an den Tag legt oder eine "Spukphase" habe, also alles gruselig finde.
Beim Verdacht auf eine Schilddrüsenunterfunktion sei somit erst einmal eine ausführliche Untersuchung nötig, um auszuschließen, dass der Hund unter einer anderen Krankheit leidet. Zunächst sollten alle anderen gesundheitlichen Probleme behandelt werden, um zu sehen: Welche Symptome bleiben noch übrig? Das sei oft schwierig "auseinanderzudröseln", weiß Lara Steinhoff.
Der T4-Wert – ein Indiz, aber keine Sicherheit
"Das Problem ist eben, dass wir bei jungen Hunden im Blut noch nicht so viel sehen", sagt die Tierärztin. Ein wichtiger Schilddrüsen-Parameter ist der T4-Wert. Liegt der im niedrigen Bereich, könne das auf eine Schilddrüsenfunktion hindeuten. Aber: Der T4-Wert werde auch durch andere Faktoren beeinflusst, zum Beispiel durch Stress, Medikamente oder Mängel in der Fütterung. Also auch kein sicheres Zeichen für eine Schilddrüsenunterfunktion.
"Manchmal hat man Glück, dass man im Blut des Hundes bestimmte Kategorien von Antikörpern messen kann, die die Schilddrüse angreifen", sagt Lara Steinhoff. Wenn die hochgradig positiv seien, sei das ein Hinweis darauf, dass der Hund in der nächsten Zeit eine Schilddrüsenunterfunktion entwickeln könnte. Aber, auch hier: "Einige Hunde haben im jungen Alter eine hohe Antikörperkonzentration und ein Jahr später sind die weg, und sie kriegen niemals ein Schilddrüsenproblem."
Vor allem bei jungen Hunden sei es daher häufig nötig, den Bluttest zu einem späteren Zeitpunkt zu wiederholen. Manchmal hat sich das Problem in Luft aufgelöst, manchmal ist der Wert weiter gefallen, was dann ein deutlicherer Hinweis auf ein Schilddrüsenproblem sei. "Man muss also einen Indizienprozess führen", erklärt Lara Steinhoff das Vorgehen. Weil eine Schilddrüsenunterfunktion im Anfangsstadium so schwierig zu diagnostizieren sei, komme es häufig zu Fehldiagnosen. "Wenn alle Symptome deutlich ausgeprägt sind, sind auch die Blutbefunde häufig ganz eindeutig und die Diagnose fällt leicht. Dann ist die Erkrankung aber schon weiter vorangeschritten."
So wird eine Schilddrüsenunterfunktion behandelt
Die gute Nachricht aber ist: Eine Schilddrüsenunterfunktion ist gut zu behandeln, wenn sie erst einmal diagnostiziert wurde. Der Hund bekommt dann Schilddrüsenhormone, die ihm in Tablettenform verabreicht werden. Wenn die Hunde mit der richtigen Dosis eingestellt sind, könne man so die Schilddrüsenfunktion ersetzen, so Lara Steinhoff. Die Lebenserwartung sei dann ganz normal.
"Innerhalb weniger Tage bemerkt man dann eine Verhaltensänderung – im Sinne einer Verbesserung natürlich", berichtet Lara Steinhoff. Trotzdem rät die Tierärztin zu einem begleitenden Training, denn: "Was das Schilddrüsenhormon nicht kann, ist Erinnerungen löschen. Das heißt: Wenn die Hunde schon viele Jahre lang ein bestimmtes Problemverhalten gezeigt haben, ist es trotzdem nicht wie weggezaubert – auch wenn der Hund vom Verhalten her besser wird."
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Wer den Verdacht hat, dass sein Hund unter einem Schilddrüsenproblem leidet, sollte schnell einen Termin beim Tierarzt machen. Denn: "Je länger man damit wartet, desto mehr etabliert sich das Problemverhalten." Wird eine Schilddrüsenfunktion lange nicht entdeckt und somit auch nicht behandelt, zeigen sich nach und nach mehr körperliche Symptome. Theoretisch kann die Krankheit tödlich enden. "Dazu kommt es in der Regel aber nicht", beruhigt Lara Steinhoff – weil sich irgendwann Symptome zeigen und sie jederzeit gut zu behandeln ist.
Das passiert bei einer Fehldiagnose
Wird eine Schilddrüsenunterfunktion fälschlicherweise diagnostiziert und mit Hormonen "behandelt", komme es ebenfalls zunächst zu einer Verhaltensänderung. Die breche aber schnell wieder ein. "Der Hund ist dann mit Hormonen überversorgt und kann in eine künstliche Überfunktion geraten", sagt Lara Steinhoff. "Dann sind die Tiere supernervös, haben Herzrasen, nehmen ab, obwohl sie viel fressen." Das sei wirklich gefährlich. "Gerade was Herz-Kreislauf angeht, kann es große gesundheitliche Probleme machen." Da aber häufig nur eine moderate Dosis an Hormonen gegeben wird, sei eine Überversorgung selten. Lara Steinhoff: "Das deutlich häufigere Problem ist, dass den Hunden nicht im Kern geholfen ist."
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Schilddrüsenüberfunktionen kommen wesentlich seltener vor als Schilddrüsenunterfunktionen, und meistens nur bei alten Hunden, die einen Tumor haben. Die Anzeichen für eine Überfunktion seien komplett konträr zu denen einer Unterfunktion: Der Hund sei übernervös und fresse viel, ohne dabei zuzunehmen. "Eine Überfunktion ist leichter zu diagnostizieren", sagt Lara Steinhoff. "Häufig kann man dann in der Nähe des Kehlkopfes an der Schilddrüse einen Knubbel fühlen."
Diese Rassen leiden häufiger unter Schilddrüsenunterfunktionen
"Rassen, die häufiger von einer Schilddrüsenunterfunktion betroffen sind, sind der Golden Retriever und der Dobermann", sagt Lara Steinhoff. Viele weitere Rassen, wie zum Beispiel English Setter, Boxer, Riesenschnauzer, Beagle, Rodesian Ridgeback und Cocker Spaniel würden aber ebenfalls häufiger erhöhte Schilddrüsen-Autoantikörper-Konzentrationen aufweisen, die wiederum zu einer Entzündung der Schilddrüse mit einer folgenden Unterfunktion führen könnten.
"Auch gibt es Hinweise in der Forschung, dass bei kastrierten Hunden mehr Schilddrüsenunterfunktionen auftreten", sagt Lara Steinhoff. "Sie sind öfter von Autoimmunkrankungen betroffen." Auch genetische Faktoren spielten eine Rolle, bei den Geschlechtern hingegen gebe es keine Unterschiede.