Alle paar Tage geht Frauchen mit ihrem Hund in die Hundeschule, schon seit Jahren – und doch: Trotz fleißigen Trainings ändert sich nicht viel am Verhalten. Die Trainingsziele werden einfach nicht erreicht – warum nur? Es scheint ein Rätsel zu sein.
Grund für Problemverhalten sind oft körperliche Probleme, weiß Dr. Lara Steinhoff, Tierärztin im westfälischen Oelde mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie: "Die Gesundheit hat einen supergroßen Einfluss auf das Verhalten vom Hund." Manchmal sei das Problem sehr offensichtlich, etwa wenn ein Tier eine Ohrenentzündung hat, die ihm sehr weh tut: Wenn man ihm ans Ohr fasst, wird er aggressiv. Häufiger sei der Einfluss aber indirekter und daher nicht so leicht festzustellen.
Problemverhalten deutet oft auf Krankheiten hin
Umso wichtiger ist es, dass Hundebesitzerinnen und Besitzer sensibilisiert werden. Die Hunde, die aufgrund eines Problemverhaltens oder einer Verhaltensstörung zur Therapie in Lara Steinhoffs Pfoten-Werkstatt kommen, sind meistens auch körperlich krank. "Besonders oft sieht man im Verhaltensbereich Erkrankungen im Bewegungsapparat, im Verdauungstrakt, Allergien und Zahnerkrankungen", berichtet die Tierärztin. Und die schlagen sich eben auch auf das Verhalten des Tieres nieder: "Der Hund hat ein deutlich schlechteres Nervenkostüm, weil er nicht wirklich im Wohlbefinden ist. Und ein schlechtes Nervenkostüm ist natürlich ein totaler Trigger, bestimmtes Problemverhalten zu zeigen. Das heißt, dass er dann doch mal schneller ängstlich auf Geräusche reagiert oder aus der Haut fährt, wenn er auf der Straße einen Artgenossen trifft."
Bei Erkrankungen im Bewegungsapparat handele es sich oft um klassische orthopädische Erkrankungen. "Es kann aber auch alles Mögliche andere sein", sagt Lara Steinhoff – auch harmlose Dinge wie Verspannungen können das Verhalten beeinflussen. "Diese Erkrankungen fangen oft schon im Junghundealter an", sagt die Tierärztin, "und werden dann oft auf die Pubertät geschoben." Im Verdauungstrakt sind Magenschleimhautentzündungen, entzündliche Darmerkrankungen und Bauchspeicheldrüsen-Erkrankungen besonders häufig.
Warnsignale: Bei diesen Anzeichen solltest du aufhorchen
Aggression, Passivität, Bewegungseinschränkungen – im Verhalten deines Hundes kannst du viele Anzeichen entdecken, dass etwas nicht stimmt. Aber wann solltest du hellhörig werden und der Sache genauer auf den Grund gehen?
"Ganz allgemein kann man sagen, dass es verdächtig ist, wenn man das Verhalten eines Tieres nicht so richtig vorhersehen kann", sagt Lara Steinhoff. "Wenn man also sagt: Es gibt Tage, die sind super, und es gibt Tage, die sind katastrophal, was das Verhalten angeht – und man weiß nicht, warum." Hintergrund sei, dass es dem Hund körperlich mal besser und mal schlechter gehe. Verdächtig sei auch, wenn das Verhalten eines Hundes überhaupt nicht logisch erklärbar ist – etwa wenn er in den ersten fünf Lebensjahren gerne gekuschelt wurde, und es plötzlich gar nicht mehr möchte oder sogar Aggressionsverhalten zeigt, ohne dass etwas passiert wäre.
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Weitere Warnsignale seien auf der einen Seite Nervösität, auf der anderen Passivität. "Einige Hunde wechseln häufig ihren Liegeplatz und kommen nicht in die Entspannung rein, andere haben plötzlich keine Lust mehr auf bestimmte Aktivitäten", sagt Lara Steinhoff. Beide Verhaltensweisen könnten Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht okay ist. Häufiger aber sei das nervöse Verhalten, vor allem bei jungen Hunden.
Oder: Die Tiere fangen an, bei bestimmten Bewegungen zu schmatzen, oder sie zögern, bevor sie eine bestimmte Bewegung ausführen – etwa in den Kofferraum springen. Das könne darauf hindeuten, dass mit dem Bewegungsapparat etwas nicht stimmt.
Verändertes Verhalten: "Man muss die Flöhe husten hören"
Allerdings: "Um aufgrund des Verhaltens ein gesundheitliches Problem zu erkennen, muss man die Flöhe husten hören", sagt Lara Steinhoff. Viele Hundebesitzer kämen sich schon vor wie "Helikopterhundeeltern", bei denen sich alles ums Tier dreht. Folge sei: Sie wollen nicht bei jedem Kinkerlitzchen zum Tierarzt rennen. Aus ihrer Erfahrung weiß Lara Steinhoff aber: "Tatsächlich ist es eher selten ein Problem, dass ein Hundebesitzer zu viel sieht." Sie ruft daher dazu auf, auch Kleinigkeiten ernst zu nehmen und zu hinterfragen.
Notfälle erkennen und Erste Hilfe leisten: Tipps einer Tierärztin
Eine weitere Schwierigkeit sei, dass Verhaltensveränderungen im Alltag oft unauffällig seien und sich schleichend entwickelten. Das mache es so schwierig für die Hundebesitzer, sie zu erkennen. Sie sehen ihr Tier schließlich jeden Tag. Manchmal nehmen Hunde eine Schonhaltung ein und ändern ihren Bewegungsablauf dadurch. Häufig zeige sich das bereits an der Bemuskelung. "Da hilft es, wenn noch jemand von außen draufschaut", sagt Lara Steinhoff.
Die Ernährung – ein unterschätztes Thema
Das meistunterschätzte Gesundheitsthema bei Hunden sind laut Lara Steinhoff Magen-Darm-Probleme. Die würden oft ignoriert. Dass der Hund sich ab und zu morgens übergibt, dass er Blähungen hat, dass er nicht nur ein paar Grashälmchen frisst, sondern doch mehr – werde oft heruntergespielt. Tatsächlich können diese Unregelmäßigkeiten aber darauf hindeuten, dass ein Hund sein Futter nicht verträgt oder an einer Magenschleimhautentzündung leidet. Auch wenn er ein bestimmtes Futter immer nur ein paar Tage am Stück frisst und man dann ein neues kaufen muss, weil der Hund es schon wieder nicht mag, sei das ein Indiz für Magenprobleme.
Mit der Ernährung kann man viel ausrichten und Erkrankungen vorbeugen. "Wichtig ist, dass das Futter sämtliche Nährstoffe enthält, die ein Hund benötigt, zum Beispiel Jod", sagt Lara Steinhoff. Das sei wichtig für die Schilddrüse. Bei Welpen sollte das Futter an das Alter und die Größe des Tieres angepasst sein. "Am besten lässt man sich einmal professionell beraten", empfiehlt sie – von Tierärzten, die einen Schwerpunkt in der Ernährungsberatung haben. Vor allem, wenn man das Essen selbst koche, sei das ratsam.
Schilddrüsenunterfunktion beim Hund: Das sind die Risiken
Der Zusammenhang zwischen Kastration und Verhalten
Eine große Rolle beim Thema Verhalten spielt auch, ob ein Hund kastriert ist oder nicht. "Jahrelang gehörte die Kastration zum Standardprogramm", sagt Lara Steinhoff. Das habe sich geändert. "In den letzten Jahren ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass der Eingriff einen Einfluss auf den gesamten Körper haben kann." Weil die Geschlechtshormone eben alle Organe beeinflussen. Daher führe man heutzutage nicht mehr so schnell Kastrationen durch, wenn es keinen medizinischen Grund gibt. "Sie sind auch keine Pauschallösung für Verhaltensprobleme", sagt Lara Steinhoff.
Im Hinblick auf das Verhalten eines Hundes könne eine Kastration aber in einigen Fällen sinnvoll sein – etwa wenn ein Rüde viele Hündinnen in der Nachbarschaft hat und er völlig gestresst reagiert, wenn sie läufig sind. Oder wenn eine Hündin immer wieder während ihrer Läufigkeit sehr gestresst ist. Genauso sinnvoll könne es aber sein, aufgrund des Verhaltens auf eine Kastration zu verzichten: "Testosteron macht nun mal mutig", erklärt Lara Steinhoff. "Wenn man einen sowieso schon ängstlichen Rüden kastriert, kann er also im schlimmsten Fall noch ängstlicher werden."
Verhalten und Gesundheit bei Tieren
Auch bei anderen Tieren können Verhaltensänderungen auf gesundheitliche Probleme hindeuten – hier ein Überblick, bei welchen Anzeichen man genauer hinsehen sollte:
- Veränderungen im Fress- und Trinkverhalten: Ein Tier hat plötzlich mehr Durst oder Hunger – oder eben weniger.
- Auch plötzliche, unerklärliche Gewichtsveränderungen können ein Anzeichen für gesundheitliche Probleme sein: Das Tier nimmt stark zu oder ab.
- Veränderungen im Bewegungsverhalten können auf Muskel- oder Gelenkprobleme hindeuten.
- Atembeschwerden, Augen- oder Nasenausfluss können auf eine Infektion hinweisen.
- Auch veränderte Schlafgewohnheiten – häufig überhöhtes Schlafbedürfnis – sind bei vielen Tieren ein Zeichen für eine Erkrankung.
- Unsauberkeit kann ebenfalls ein Hinweis auf ein gesundheitliches Problem sein, zum Beispiel bei Katzen.
- Auch Veränderungen im Sozialverhalten, aggressives Verhalten und Veränderungen in der Kommunikation – starkes Bellen oder Miauen – sind Warnsignale.
Aber: Wie Lara Steinhoff auch in Bezug auf Hunde sagt, die Erkrankungen hinter bestimmtem Problemverhalten sind vielfältig. Auch muss ein verändertes Verhalten nicht auf ein körperliches Problem hindeuten.