Mensch und Hund spazieren entspannt durchs Leben, nebeneinander, friedlich und als beste Freunde. So ist es in der Vorstellung der meisten Frauchen und Herrchen.
Michaela Wolf aber weiß: "Es läuft nie alles rund, übrigens auch bei uns Hundetrainern und unseren Tieren nicht."
Die Hundetrainerin aus Wedemark bei Hannover ist Spezialistin für Verhaltenstherapie und bietet Ausbildungen und Fortbildungen zum Thema Verhalten an. Zum ersten Mal kam sie mit dem Thema Verhaltenstherapie in Berührung, noch bevor sie als Hundetrainerin arbeitete: Mit ihrem Pflegehund aus Italien stand sie vor einigen Herausforderungen. Damals zog sie eine Tierärztin hinzu, die eine Zusatzausbildung in der Verhaltenstherapie absolviert hatte. Auch wenn die Ärztin anders arbeitete, als es heute in der Verhaltenstherapie üblich ist, prägte Michaela Wolf diese Erfahrung.
"Mit der Zeit entwickelte ich ein Bewusstsein dafür, dass ich mit meinem Hund trainieren muss, um sein Verhalten zu ändern. Und ich erkannte: Ich muss am Problem trainieren, anstatt am Grundgehorsam des Tieres zu arbeiten." Auch lernte sie, die Lebensumstände des Hundes näher zu betrachten, um Problemverhalten zu lösen: Was passiert in seinem Umfeld? Was sind eventuelle Stressoren? Was frustriert ihn?
Wie läuft die Fortbildung in der Verhaltenstherapie?
Heute ist Michaela Wolf Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin und betreibt eine Hundeschule und Hundeakademie. Außerdem ist sie seit Mai 2020 Veranstalterin und Referentin von "Verhaltenstherapie.vet", einer Fortbildung für Tierärzte beziehungsweise Hundetrainer. Mir vier weiteren Referentinnen und Referenten – Dr. Angela Bartels, Dr. Dorothea Johnen, Nicole Stein und Dr. Stephan Gronostay – vermittelt sie darin das Handwerk zur Verhaltenstherapie. Die Teilnehmenden lernen, wie sie im Training verhaltenstherapeutisch mit Hunden arbeiten können, aber auch wie sie Hundehalter anleiten und das nötige Wissen an sie weitergeben.
Entstanden ist die Fortbildung aus einem Workshop bei der Sommerakademie der "TOP Trainer" um die Tierärztin und Tiertrainerin Viviane Theby. Ziel des Fünferteams war zunächst, ein praktisches Angebot für Tierärzte zu entwickeln. Die Ärzte müssen jedes Jahr eine bestimmte Anzahl an Fortbildungsstunden absolvieren, um ihre Approbation zu behalten. Meistens sind die Fortbildungsinhalte recht theoretisch. Michaela Wolf und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter entwickelten ein Angebot, bei dem die Praxis im Fokus stehen sollte – nach einer Planungsphase setzte das Team sein Vorhaben in die Tat um.
Teilnehmende bei Verhaltenstherapie.vet
Ausgerechnet im ersten Corona-Frühling lief das Angebot an – online und nicht, wie zunächst geplant, in Michaela Wolfs Seminarräumen. Der Vorteil war, dass auch Tierärzte und Tierärztinnen aus anderen Teilen Deutschlands und aus dem deutschsprachigen Ausland teilnehmen konnten. Bis heute läuft "Verhaltenstherapie.vet" online. Selbstverständlich gibt es auf dem Markt viele weitere Angebote, um sich in der Verhaltenstherapie fortzubilden. Die Besonderheit von "Verhaltenstherapie.vet" ist, dass sie durch die Landesärztekammer Niedersachsen und durch den Internationalen Berufsverband der Hundetrainer*innen und Hundeunternehmer*innen anerkannte wurde. Auch die TOP Trainer empfehlen die Fortbildung. Mittlerweile richtet sich das Angebot nicht nur an Tierärzte, sondern auch an Hundetrainer und Verhaltensberater.
Unter den Teilnehmenden sind Tierärzte, die rein verhaltenstherapeutisch arbeiten, aber auch welche, die die Verhaltenstherapie als Ergänzung zur medizinischen Behandlung sehen. Manche haben auch das Ziel, die Praxisbesuche für die Tiere möglichst angenehm zu gestalten, also sich vor allem im Behandlungstraining fortzubilden. Unter den anderen Tierdienstleistern, die teilnehmen, sind nicht nur Hundetrainer oder Verhaltensberater, sondern manchmal auch Dienstleister aus angrenzenden Bereichen wie etwa Hundefriseure. Sie können ebenfalls vor allem vom Behandlungstraining profitieren.
Der Lehrgang hat acht Module, die jeweils an zwei Tagen stattfinden. Insgesamt dauert er zwei Jahre. Grundlage ist das Training auf der Basis positiver Verstärkung. "Wir wollen unerwünschtes Verhalten durch erwünschtes Verhalten ersetzen", erklärt Michaela Wolf. "Dabei gehen wir so minimal invasiv wie möglich vor. Der Hund – und auch der Hundehalter – sollen Spaß am Training haben." Im Fokus steht der Umgang mit störendem Verhalten.
Worum geht es in der Verhaltenstherapie?
Ein klassisches Beispiel sind Beißvorfälle. "Ziel des Trainings kann zum Beispiel sein, dass der Hund entspannt an einem Ort liegen kann, wenn Besuch kommt – anstatt ihn anzugreifen", sagt Michaela Wolf. Manchmal sei aber auch ein Maulkorb, eine räumliche Beschränkung oder eine medikamentöse Behandlung nötig. Medizinische Probleme werden in der Fortbildung immer mal wieder angesprochen, stehen aber nicht im Zentrum – auch wenn drei Tierärztinnen und ein Tierarzt unter den Referenten sind. Weitere Themen in der Verhaltenstherapie und in der Weiterbildung "Verhaltenstherapie.vet" sind:
- Aggressionsverhalten gegenüber Menschen und Artgenossen
- Angst vor Menschen oder Gegenständen
- Behandlungstraining, auch Medical Training genannt
- Begegnungen mit Menschen und Artgenossen
"Der Übergang vom Training zur Verhaltenstherapie ist fließend", sagt Michaela Wolf. Für den Hund mache es keinen Unterschied, ob er Grundsignale lerne oder ob an einem bestimmten Problem gearbeitet werde. Aber: "In der Verhaltenstherapie haben wir es schon mit anderen Themen und Fällen zu tun. Das Problem, das störende Verhalten, steht im Fokus." Damit gehe auch eine noch größere Verantwortung mit einher: "Wir haben es mit Eigen- und Fremdgefährdungen zu tun", sagt die Hundetrainerin. "Auch steht bei manchen Fällen eine Abgabe ins Tierheim oder eine Euthanasie im Raum." Das müsse jedem klar sein, der sich auf die Verhaltenstherapie spezialisiert. Auch müsse man seine eigenen Grenzen einschätzen können.
Darum kann das Verhalten deines Hundes ein Warnsignal sein
Welche Fähigkeiten braucht ein Verhaltenstherapeut?
Neben diesem Bewusstsein, der Empathie für Mensch und Tier und einem profunden Hintergrundwissen rät Michaela Wolf vor allem zu guten praktischen Skills – und vor allem zur Ausdauer, diese zu trainieren. Hier verweist sie auf den Amerikaner Bob Bailey, der als Pionier des Tiertrainings gilt. "Wenn Bob Bailey neues Personal einstellen wollte, ließ er die Bewerber manchmal über einen längeren Zeitraum immer wieder das gleiche Verhalten mit einem Tier trainieren", berichtet Michaela Wolf. So habe er herausfinden wollen, ob die Bewerber Ausdauer besitzen – für die vielen Wiederholungen, die im Tiertraining nötig sind.
Weiterhin sollten Verhaltenstherapeutinnen und Therapeuten genauso wie Hundetrainer Lust auf immer wieder neue Fortbildungen haben und sich ein Netzwerk aufbauen. "Das wird in unserer Branche immer noch zu wenig gemacht", sagt Michaela Wolf. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sei aber sehr wichtig, weil jede und jeder einen anderen Schwerpunkt habe. Auch könnten sich mehr Synergien ergeben, indem Trainer und Tierärzte Wissen austauschen.
Start in den Traumjob: Wie werde ich eigentlich Hundetrainer?
"Tiertraining ist Handwerk", unterstreicht Michaela Wolf noch einmal. Auch gehe es darum, die Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer an die Hand zu nehmen. "Ein guter Verhaltenstherapeut geht auf die Bedürfnisse von Mensch und Tier ein." Das Engagement der Tierhalter sei gefragt, wenn es um die Lösung von Problemverhalten geht. Ihre Bereitschaft zur Veränderung spiele eine große Rolle in der Verhaltenstherapie. Denn manchmal sei es nötig, seinen Tagesablauf anzupassen und den Umgang im Allgemeinen zu verändern. "Oft gibt es zeitliche, räumliche und finanzielle Grenzen", weiß Michaela Wolf. Dafür habe sie Verständnis. Aber je höher die Bereitschaft der Hundebesitzer sei, sich auf Veränderungen einzulassen, desto wahrscheinlicher der Trainingserfolg.
Das Haustier als Herausforderung: So kommst du besser durch Tierkrisen
Erfolge im Hundetraining und in der Verhaltenstherapie
Als Hundetrainerin freut sie sich immer wieder, die Ursache hinter einem Problemverhalten zu erkennen und daran zu arbeiten. "Es ist einfach schön zu sehen, wie Mensch und Hund wieder entspannt durchs Leben gehen." Manchmal sei es nötig, die Perspektive des Hundebesitzers auf sein Tier zu ändern. Er müsse verstehen, dass der Hund nicht beißt oder die Wohnung in Unordnung bringt, weil er ihn ärgern will. Sondern weil er mit einem Problem kämpft.
Wenn die Hundebesitzer mitarbeiten, macht Michaela Wolf das Training besonders viel Spaß. Im Gedächtnis hängen geblieben ist ihr die Arbeit mit einem älteren Mann und seinen beiden Amercian Stafford Terriern. Einer der Terrier hatte schon mehrere Male zugebissen. Auch durch das Engagement des Herrchens schafften sie es, dass alle drei wieder entspannt durchs Leben laufen konnten.