Schon als Kind hat sich Sabine Schinner einen Hund gewünscht. Als 2016 mit dem Labrador Boki endlich der erste Hund bei ihr und ihrer Familie einzog, ließ sie sich von der Hundetrainerin Maria Rehberger beim Training coachen – und schnell wurde mehr daraus: Sabine Schinners Familie wurde Pflegestelle bei der Tierschutzorganisation, über die Boki als Abgabehund zu ihnen kam. Nach mehreren Pflegehunden zog Lotte bei ihnen ein, sie blieb und vervollständigte die Familie. Sabine Schinner merkte, wieviel Spaß sie beim Training und bedürfnisorientierten Umgang mit ihren (Pflege-) Hunden hatte und beschloss, etwas Neues zu machen. Sie ließ sich zur Hundetrainerin ausbilden und kündigte ihren Job im öffentlichen Dienst, um schließlich beim Franchiseunternehmen Easy Dogs als Hundetrainerin einzusteigen. Ihr Plan ging auf.
Seit 2021 betreibt Sabine Schinner den Easy Dogs Standort Nürnberg-Süd und lebt mit Boki und Lotte zusammen – beides Labradore mit viel Spaß am Apportieren.
"Labbis gehören zur Gruppe der Retriever – apportierende Wasserhunde, die in allen möglichen Lebenssituationen Gegenstände tragen", sagt sie. So lag es nahe, dass sie zusätzlich zu ihrer Ausbildung als Hundetrainerin die Zusatzausbildung als lizenzierte Dummytrainerin beim Internationalen Berufsverband der Hundetrainer*innen und -unternehmer*innen (IBH) absolvierte. Dabei wollte sie in die Tiefe gehen: "Dummyarbeit ist ein weitgefächertes Gebiet. Ich wollte mir das große Ganze anschauen."
Mittlerweile bietet sie Gruppen für Dummytraining an und berät ihre Kundinnen und Kunden auch im Einzeltraining rund ums Apportieren.
Warum apportieren Hunde so gerne?
Werfen – suchen – zurückbringen: Auch wer keinen Hund hat, kennt das Spiel. Aber was steckt dahinter: Warum machen Hunde und insbesondere einige Rassen, wie die Retriever, so gerne Dummyarbeit?
"Weil sie dafür gezüchtet wurden", ist die Antwort der Hundetrainerin. "Retriever sind dafür gemacht, um Jäger beim Herbeitragen von erlegtem Wild zu unterstützen. Hinzu kommt, dass sie die Beute aus dem Wasser holen können, womit sie sich gut für die Entenjagd eignen." Besonders qualifiziert sie für das Apportieren ihr sogenanntes "weiches Maul": Retriever können laut Sabine Schinner die Beute so halten, dass sie sie nicht mit den Zähnen kaputtmachen.
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Die ersten Schritte beim Dummytraining
"Für das Dummytraining gibt es kein allgemeingültiges Rezept", sagt Sabine Schinner. Es komme immer auch darauf an, was der Hund anbiete. Auch sie ändere im Training immer wieder die Strategie, wenn sie merke, dass etwas nicht so funktioniert wie zunächst geplant.
"Hilfreich ist für den Einstieg auf jeden Fall, die Verhaltenskette von Suchen, Nehmen und Zurückbringen in einzelne Puzzleteile aufzubrechen und kleinschrittig vorzugehen." Der erste Schritt könne sein, den Dummy zu präsentieren und sich den Hund daran annähern zu lassen. Das sollte dann zum Beispiel mit einem Leckerli belohnt werden. Weitere Puzzleteile können das kurze Halten des Dummys sein, auf das ein längeres Halten folgen kann. Dann könne man üben, dass der Hund den Dummy einige Schritte trägt. Und schließlich, dass er ihn aus dem Maul wieder zurück in die Hand gibt. Man könne die Puzzleteile aber auch in einer anderen Reihenfolge und völlig voneinander getrennt trainieren, das sei sehr individuell. Alle einzelnen Schritte müssen belohnt werden, damit der Hund eine Bestätigung für seine Arbeit bekommt. Wenn die einzelnen Puzzleteile gut funktionieren, könne man das Puzzle zusammenfügen.
Dafür eigne sich ein Training auf einer Linie: Auf der einen Seite steht der Hund, auf der anderen der Mensch und in der Mitte liegt der Dummy. Mit dieser "Kette" könne man starten. Hier geht es um die einzelnen Puzzleteile – auf Signal starten, Dummy aufnehmen, halten und tragen, in die Hand abgeben.
Nach und nach könne man die Distanzen erweitern und von einigen Metern Entfernung auf 30, 50 oder sogar noch weiter hochgehen. Vor dem Start ins Training und nach Trainingspausen sollte man ein kleines Warm-up machen, um den Bewegungsapparat und die Muskeln des Hundes auf die Dummyarbeit vorzubereiten. Dafür kann man mit dem Hund eine kurze Strecke zügig gehen, ihn Achten zum Beispiel durch die eigenen Beine laufen oder ihn einen Diener machen lassen.
Der passende Dummy
Wenn Sabine Schinner mit einem Hund ins Training startet, bietet sie ihm verschiedene Arten von Dummys an. "Besonders gerne arbeite ich mit einem klassischen Dummy", sagt sie, also einem robusten Gegenstand mit einer kurzen Schnur. Sie zeigt dem Hund aber auch Dummys in Eiform, in Knochenform oder welche, die flach wie eine Diskusscheibe sind. Gerade bei brachycephalen Rassen (Kurznasen) sei es wichtig, mit einem kleinen Dummy in passender Form zu arbeiten: "Sonst können sie ihn vielleicht tragen, aber dabei nicht mehr richtig atmen." Hier sei eine Knochenform oft gut geeignet. Für Chihuahuas oder ähnliche kleine Hunde könne man sehr kleine Gegenstände nehmen, zum Beispiel Schlüsselanhänger in Dummyform, bei denen man den Metallring abmacht. "Der größte Dummy, mit dem ich bisher gearbeitet habe, wog ein Kilo. Der war für eine Deutsche Dogge, die kann viel tragen." Es gibt aber auch noch schwerere Dummys. Je nach Jahreszeit und Trainingsstand könne man mit dem Gewicht und der Größe variieren. Im Winter könne man schwerere und/oder größere Dummys verwenden, im Sommer leichtere und schmalere – so fällt dem Hund das Hecheln leichter.
Bei der Auswahl könne man auch schauen, aus welcher Motivation der Hund apportiert: "Bei einem Hund, der gerne jagt, kann ich ein hochwertiges Dummy mit Kaninchenfell einsetzen, um so eine gute Alternative zum Jagdverhalten zu haben."
Ob ein Hund überhaupt an Dummyarbeit interessiert ist, könne man daran erkennen, ob der Hund den Dummy ins Maul nehme oder auch im Alltag gerne Gegenstände herumtrage.
Tücken beim Dummytraining
Ausschlaggebend beim Suchen nach dem Dummy ist in erster Linie der Geruch. Unterschiedliche Trainingsbedingungen können dazu führen, dass der Hund den Geruch schwerer wahrnimmt und die Dummyarbeit herausfordernder wird. Dazu gehören:
- Beschaffenheit des Geländes: Je nachdem, ob auf der Wiese, im Wald oder auf/an Hügeln trainiert wird, kann die Dummyarbeit unterschiedlich anstrengend sein. Auf einer hohen Wiese nimmt der Hund den Dummygeruch eventuell nicht so gut wahr. Auch Wildgeruch kann den Hund irritieren und dazu führen, dass er beim Training abgelenkt ist.
- Windrichtung: Bei stärkerem Rücken- oder Gegenwind kann das Training für den Hund besondere Herausforderungen mit sich bringen. Bei Rückenwind kann es sein, dass er über den Dummy hinwegläuft, weil der Wind den Geruch des Dummys wegträgt. Bei Gegenwind kann es sein, dass er früher anfängt zu suchen, weil der Geruch ihm schon früh in die Nase steigt.
- Temperaturen: Die Intensität und Länge des Trainings sollte man den Temperaturen anpassen.
"Manchmal passiert es auch, dass der Hund den Dummy zwar findet, aber nicht damit zurückkommt oder einen großen Bogen läuft", sagt Sabine Schinner. Dann sollte man nachschauen, wo der Dummy gelandet ist: Liegt er in den Hinterlassenschaften eines anderen Tieres? Oder in einem Brombeerbusch? Vielleicht verändert sich an der Stelle auch der Untergrund, ist heiß oder pieksig, sodass der Hund dort nicht entlanglaufen will.
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Wenn der Hund den Dummy nicht zurückgeben will
Manchmal bringt der Hund den Dummy zwar, will ihn aber nicht an den Menschen zurückgeben. "Das kann viele Gründe haben", sagt Sabine Schinner. "Es kann zum Beispiel an der Körperhaltung des Menschen liegen." Einige Tiere mögen es beim Apportieren nicht, wenn man sich von vorne über sie beugt, um den Dummy zu greifen. "Dann kann es helfen, seine Körperhaltung zu ändern und sich neben den Hund zu setzen." Ein weiterer Grund könne sein, dass die Belohnung für das Zurückgeben nicht hochwertig genug ist: Der Hund will den Dummy lieber behalten, anstatt ein trockenes Leckerli dafür zu bekommen. "Dann kann man ihm etwas anderes als Belohnung anbieten", sagt Sabine Schinner. "Manche Hunde wollen zur Belohnung lieber spielen. Dann tausche ich den Dummy gegen ein Spielzeug, zum Beispiel ein Tau und biete ein Zergelspiel an."
"Ein Blick von außen hilft auch bei der Dummyarbeit oft weiter", weiß Sabine Schinner. „Der Hund macht keine Fehler, er gibt uns Informationen! Wir sollten dann hinterfragen, nach Ursachen suchen und das Training so anpassen, dass der Hund beim nächsten Durchgang das erwünschte Verhalten zeigen kann, damit er zum Erfolg kommt."
Durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier entsteht bei der Dummyarbeit eine engere Bindung. Gleichzeitig werden nicht nur körperliche, sondern auch geistige und soziale Bedürfnisse des Hundes erfüllt. "Aber auch für den Menschen ist das Dummytraining anspruchsvoll und erfordert einiges an Koordination", sagt Sabine Schinner. Ein weiterer Vorteil des Trainings sei, dass der Hund die verschiedenen Alltagssignale – das Abwarten, den Rückruf und das Stoppen auf Distanz – noch einmal in einem anderen Kontext übe und so lerne, sie auf verschiedene Situationen zu übertragen.
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Dummytraining für Fortgeschrittene
Nicht nur die Distanz, sondern auch die Komplexität der Übungen kann man nach und nach steigern und zum Beispiel mit mehreren Dummys arbeiten. "Ich kann einen Dummy hinter mich werfen, ein paar Schritte gehen und ein bis zwei Dummys vor mich werfen. Dann schicke ich den Hund zu einem Dummy, gebe aber einen Stopp-Pfiff und schicke ihn doch zu einem anderen Dummy."
Will man seinen Hund mehr fordern und tiefer ins Dummytraining einsteigen, ist laut Sabine Schinner ein Check beim Tierarzt und Physiotherapeuten sinnvoll. "Dummytraining ist Sport", sagt sie. "Auch beansprucht das Apportieren den Kiefer, die Zähne und die Halswirbelsäule." Habe man die Vermutung, dass da irgendetwas im Argen liegen könnte, sollte man zur Sicherheit auch ein Röntgenbild beziehungsweise Dentalröntgenbild vom Kiefer machen lassen. "Relativ häufig beobachte ich beim Warten im Dummytraining auch, dass der Hund die Hüfte abkippt", sagt die Hundetrainerin. "Ich nenne das Lümmelsitz, ähnlich wie man es von Welpen kennt. Aus dieser Position sollte man nicht starten. Denn das geht sehr auf die Hüfte." Dann sollte man den Hund lieber aus dieser Lümmelhaltung lösen, ein paar Schritte gehen und auf ein gerades Sitz in Grundstellung achten.
Dauer des Trainings
"Dummyarbeit ist wahnsinnig anstrengend", weiß die Hundetrainerin, "weil sie unter anderem Nasenarbeit ist." Zehn Minuten Nasenarbeit, sagt sie, sind so anstrengend wie etwa eine Stunde Gassi gehen. Je nach Geländeart und Temperaturen kann das Training den Hund zusätzlich fordern. "Darum ist es wichtig, dass ich meinen Hund gut beobachte. Wenn er langsamer heimkommt, ist Zeit für eine Pause." Mit "Heimkommen" bezeichnet man beim Dummytraining das Zurückkommen des Hundes mit dem Dummy im Maul. Nach einer komplexen Aufgabe mit mehreren Dummys empfiehlt die Trainerin schon nach einem Durchlauf eine Pause. Wichtig sei dabei, dass der Hund wirklich zur Ruhe kommt. Wenn man also mit einer Gruppe trainiert, kann man eine Ruhedecke oder Box mitnehmen, in der sich der Hund zum Beispiel im Auto zurückziehen kann.
Manche Hunde können kaum aufhören, wenn sie einmal mit der Dummyarbeit gestartet sind. Trotzdem, auch sie brauchen eine Pause. Für alle Hund-Mensch-Teams, die das Apportieren lieben, hat Sabine Schinner noch einen Tipp: "Man kann Elemente aus der Dummyarbeit im Alltag einsetzen, also beim Spazieren gehen eine Packung Taschentücher oder eine Mütze fallen lassen. Man geht dann ein paar Meter und bittet den Hund dann, den Gegenstand zu suchen." Auch könne man das Training selbst hervorragend in den Alltag integrieren: Sie lässt ihren Hund gerne die Einkäufe vom Auto ins Haus tragen. "Dann dauert es zwar etwas länger, aber der Hund macht es gerne und ist beschäftigt."
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