Wie viele Trainerinnen ist auch Katja Frey ins Tiertraining "reingerutscht" – über einen eigenen schwierigen Hund. "Das war noch im Studium", erzählt sie im Gespräch mit Petmos. "Nach dem Tod meiner ersten Hündin war ein Schäferhund aus dem Tierheim bei mir eingezogen. Mit zwei Jahren fing er an, meine Mitbewohner zu bedrohen und später auch nach ihnen zu schnappen." Es kam nie zu Beißvorfällen oder gar Verletzungen, aber Katja Frey war klar: So konnte es nicht weitergehen, sie holte sich Hilfe bei der Biologie-Studentin Karin Petra Freiling, die heute eine von weltweit neun Tellington-TTouch-Instruktorinnen ist, einer speziellen Methode im Tiertraining. Was aus der Not begann, wurde schnell zu Katja Freys Leidenschaft. Sie setzte sich mit Clickertraining auseinander, suchte sich eine Hundeschule und lernte bei der Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin Tina Schnatz als Trainerin weiter, die heute als Dummyexpertin bekannt ist.
Die Hühnermodule – die Basis von Katja Freys Arbeit
"Aus heutiger Sicht hatte ich damals keine Ahnung von Hundetraining", sagt Katja Frey. "Aus damaliger Sicht wusste ich aber eine Menge." So kam es, dass sie in den Welpenstunden bei Tina Schnatz mithalf, sich beim BHV (Berufsverband der Hundeerzieher*innen und Verhaltensberater*innen) fortbildete und darüber schließlich die Tierärztin, Verhaltensberaterin und Hundetrainerin Viviane Theby kennenlernte. Bei ihr belegte sie "Hühnermodule" – Seminare, die ihr Training sehr geprägt haben und ihr Wirken bis heute beeinflussen. Gemeinsam mit der Tiertrainerin Nina Steigerwald entwickelte sie die Module später weiter. "Das war eine sehr intensive Zeit, in der auch viele Freundschaften entstanden sind", sagt Katja Frey. Sie hätten die Nächte hindurch diskutiert und viel Zeit ins Lernen und in die Entwicklung investiert. Das erste Hühnermodul fand im April 2007 statt. "Die Hühnermodule haben die Basis für meine weitere Arbeit gelegt", sagt Katja Frey 17 Jahre später. Noch heute habe sie oft die Hühner vor Augen, wenn sie in ihren Weiterbildungen über das Verhalten von Tieren spreche.
"Die Hühnermodule sind ein wunderbares Modell, an dem man sehen kann, wie Lernen funktioniert", sagt die Trainerin. Der Unterschied zum Training mit Hunden sei, dass die meisten Menschen zu Hühnern eine weniger emotionale Bindung haben. "Auch kann man Hühner nicht durch positive Strafe trainieren. Sie gehen dann einfach. Wenn sie sehr frustriert sind, können sie aggressiv werden und gehen auch mal auf einen los." In ihr Verhalten interpretiert man aber nicht so viel hinein wie etwa in das Verhalten von Hunden und Katzen. Da die Beziehungsebene bei Hühnern weitgehend außen vor bleibt, könne man durch das Training mit ihnen wertvolle Erkenntnisse erlangen.
Positives Tiertraining: Was ist das eigentlich genau?
Was ist das Besondere am Trainingsspezialisten?
Die Erkenntnisse aus den Hühnermodulen hat Katja Frey auch in ihren "Trainingsspezialisten", eine Weiterbildung für Trainerinnen und Trainer von Hunden, einfließen lassen. Nach ihrem Quereinstieg ins Tiertraining entwickelte sie sich schnell zur gefragten Referentin, wurde Mitglied des BHV-Ausbildungsrates und war auch als Toptrainerin beim Scheuerhof tätig. Der Trainingsspezialist, heute eine der bekanntesten Fortbildungen in Deutschland, entstand nach einer Idee von Katja Frey und Viviane Theby. Umgesetzt hat Katja Frey die Idee schließlich mit ihrer Kollegin und Freundin Anna Senkel.
Tatsächlich unterscheidet sich ihr Ansatz von anderen Weiterbildungen für Trainern von Hunden: "Wir wollen die Lerntheorie sichtbar machen", erklärt Katja Frey. "Wir wollen den Trainern nicht Rezepte beibringen. Wir wollen erreichen, dass sie die Zutaten verstehen. Sie sollen mit ihrem Wissen schließlich alle Tiere trainieren können, die sie möchten. Auch sollen sie für jedes beliebige Verhalten jederzeit einen Plan zusammenstellen können, weil sie verstehen, wie die Zutaten funktionieren." Auch Katja Frey hat mit vielen verschiedenen Tieren trainiert – Hühnern, Hunden, aber auch viele Exoten: Känguruhs, Eisbären, Wölfen, Nutria und vielen mehr. So berät sie auch immer wieder den Zoo Frankfurt zum Thema Tiertraining. Zuletzt hat sie sich Wachteln angeschafft – und ist begeistert: "In die habe ich mich richtig verknallt. Sie sind so niedlich. Hühner lernen schnell, aber Wachteln sind noch schneller."
Wer absolviert den Trainingsspezialisten?
Der erste Durchgang des "Trainingsspezialisten" startete 2015. Damals kamen Trainer von Hunden zu Katja Frey und Anna Senkel. Inzwischen kommen die Teilnehmenden aus allen Sparten des Hundestrainings, darunter Hundesportler und engagierte Hundebesitzer sowie Jäger und Ausbilder der Bundeswehr. Die Bundeswehr bildet unter anderem Hunde für den Schutzdienst, also für die Verfolgung von verdächtigen Personen auf der Flucht, als auch Sprengstoffspürhunde aus.
Der Trainingsspezialist besteht aus insgesamt zwölf Modulen. Der komplette Lehrgang dauert drei Jahre. Mittlerweile haben rund 400 Menschen den Trainingsspezialisten absolviert. Die Weiterbildung habe in der Trainerszene einen guten Ruf, die Marke stehe für sich. Weil Katja Frey weiß, wie intensiv die Weiterbildung und wie komplex das Thema Tiertraining ist, bietet sie jedem Teilnehmer an, sie für die Hälfte des Preises ein zweites Mal zu besuchen. Aus ihrer Erfahrung kann nicht jeder gleich beim ersten Mal alle Details erfassen und die Zusammenhänge abspeichern.
Voller Fokus auf den Trainingsspezialisten
Katja Frey hing ihre Arbeit als Tierärztin und Pferdeosteopathin schließlich "an den Nagel", weil sie sich komplett auf die Seminare konzentrieren wollte. Der Trainingsspezialist entwickelte sich im Laufe der Jahre weiter. So startet die Weiterbildung mittlerweile mit einem Modul zum Thema Belohnungspunkte. "Wir haben immer wieder festgestellt, dass viele Trainer das nicht ausreichend im Blick haben", sagt Katja Frey. Auf den ersten Blick seien die Belohnungspunkte kein sexy Thema gewesen. Aber die Trainer kamen trotzdem in die Weiterbildung, weil Katja Frey und Anna Senkel sich mit dem Trainingsspezialisten bereits einen guten Ruf erarbeitet hatten.
Die Weiterbildung wurde immer wieder weiterentwickelt: Das Konzepte-Modul zum Beispiel nahmen sie aus dem Programm heraus, aus dem Signale-Modul machten sie zwei. Aber Katja Frey sagt auch: "Dass ein völlig neuer Anteil zum Trainingsspezialisten dazukommt, ist eher unwahrscheinlich. Wir vermitteln ja so etwas wie die Physik hinter dem Tiertraining – und bei der Schwerkraft ist ja auch nicht zu erwarten, dass etwas Neues hinzukommt." Die Lerntheorie ist bekannt und bleibt.
Katja Frey im Einsatz für das Wohl der Tiere
Am Tiertraining begeistert Katja Frey, dass sie dabei mit Tieren in den Dialog geht: Mensch und Hund tauschen sich aus, stellen Fragen, antworten, werden wichtig füreinander. "Ich habe das Gefühl, dass ich mich verständlich machen kann, dass meine Informationen beim Tier ankommen und mir macht es Freude, dass es Spaß am Trainieren hat." Aber auch mit den Menschen arbeitet sie gerne. "Ich liebe es zu unterrichten", sagt sie. Ihr ist es wichtig, Wissen weiterzugeben. Denn, da ist sie sicher: "Fehler im Umgang mit Tieren passieren nicht aus Bösartigkeit. Die Menschen wissen es einfach nicht besser."
Dialog statt Diktat: So geht Kooperation und Mitbestimmung im Alltag
Neben der Freude am Training zieht sich somit ein weiterer Punkt durch Katja Freys Arbeit: In allem, was sie macht, geht es ihr ums Tierwohl. Besonders deutlich wurde ihr das an einem Erlebnis, das sie während eines Seminars in Indien hatte. Über den erfolgreichen Hundetrainer und Unternehmer Philipp Butt gab sie dort für eine interessierte Gruppe einen Lehrgang zum Training auf der Basis positiver Verstärkung. "Ich zeigte den Menschen, dass sie unerwünschtes Verhalten nicht strafen müssen. Das war für sie bisher völlig unvorstellbar. Ich versuchte, ihnen neue Möglichkeiten an die Hand zu geben." Nach dem Seminar kam ein erfahrener Trainer zu ihr und versicherte, dass er sich nun bei allen Hunden, die er im Laufe seines Lebens trainiert habe, entschuldigen werde.
Katja Frey freut sich, wenn sie mit ihrer Arbeit wieder etwas bewirken und Wissen über Hundetraining vermitteln kann. "Ich denke immer, dass jeder mit seinen Kompetenzen dazu beitragen kann, dass sich auf der Welt etwas verbessert", sagt sie. Wenn jeder ein bisschen schaffe, könne man gemeinsam Großes erreichen.
Katja Freys Traum von einem Netzwerk für Tierärzte
Katja Frey hat die Entwicklung des positiven Tiertrainings maßgeblich mitbeeinflusst und eine Menge erreicht. Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Trainerin haben sich einige Wünsche und Projekte entwickelt, mit denen sie das Tierwohl weiter verbessern möchte.
So hält Katja Frey an der Universität Gießen Vorlesungen für Medizinstudenten zum Thema Medical Training. "Ich möchte den angehenden Tierärzten zeigen, dass sie während der Behandlung das Verhalten von Tieren beeinflussen und verändern und damit auch 'trainieren' können. Somit haben sie großen Einfluss auf das Tierwohl." Das Wissen über Medical Training komme im Studium leider immer noch zu kurz. Ihr Traum und neues Projekt ist es daher, ein Netzwerk zu bilden, das Tierärzte zu diesem Thema weiterbildet." Sie sind in ihren Praxen große Multiplikatoren. Zunehmend sei es so, dass einige Hundebesitzer mehr Ahnung von Verhaltensveränderung haben als die Tierärzte."
Stressfrei zum Tierarzt: Was Medical Training bewirken kann
Denkt sie über ihre persönlichen Erfahrungen als Hundehalterin nach, kommt ihr vor allem ein Wunsch in den Sinn: dass Begegnungen zwischen Hunden im Alltag besser ablaufen. Ein Schlüssel dazu sei die Körpersprache der Tiere, weiß die Trainerin: Wenn Menschen dafür ein besseres Verständnis entwickelten, könnten sie auch die Stimmung bei Hund-Hund-Begegnungen besser einschätzen. "Das wäre wirklich toll, wenn sich in der Richtung noch mehr tun würde."
Und auch persönlich möchte Katja Frey sich in Zukunft einen Wunsch erfüllen: Schon lange träumt sie davon, raus aus Frankfurt zu ziehen und mit ihrem Partner, ihrem Hund, Pferd – und neuerdings ihren Wachteln – auf dem Land zu leben.
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