Von Anfang an wollte Christiane Jacobs verstehen, was ihr Hund sagt. Schon kurz nachdem der Kleinpudelrüde Knicka bei ihr eingezogen war, suchte sie sich Angebote in einer Hundeschule, um seine Körpersprache zu lernen. Trotzdem dauerte es einige Jahre, bis sie erste Erfolge verzeichnete: "Ich habe viel Mumpitz erzählt bekommen." Erst als sie den Hundetrainer Gerrit Stephan kennenlernte, änderte sich das grundlegend. "Von ihm habe ich viel gelernt."
Heute ist ihr Hund zwölf Jahre alt und Christiane Jacobs hat ein Buch über die Körpersprache von Hunden geschrieben: "Sprich Hund!" Ihre Geschichte zeigt, wie viele Missverständnisse es rund um die Körpersprache von Hunden gab – und weiterhin gibt. Für Petmos klärt Christiane Jacobs über weitverbreitete Mythen auf und erklärt, wie jeder mehr über die Körpersprache von Hunden lernen kann.
Was sollte ich über die Körpersprache meines Hundes wissen?
Für Christiane Jacobs gehört die Körpersprache zum harmonischen Zusammenleben mit einem Hund einfach dazu. Wichtig ist laut der Hundeverhaltensberaterin aus dem sauerländischen Hemer, dass Menschen von Anfang an – so wie bei Knicka – Stressanzeichen bei ihren Hunden erkennen: Was macht das Tier, wenn es sich nicht wohlfühlt? Auch sei es hilfreich, die Emotionen des Hundes anhand der Körpersprache ablesen zu können.
Grundsätzlich rät Christiane Jacobs dazu, die Körpersprache eines Hundes immer wohlwollend zu deuten. Wenn der Hund gestresst ist, Angst hat oder droht, will er nicht ärgern. Vielmehr brauche er Hilfe, weil er mit einer Situation nicht klarkommt. Auch sollten Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer die häufigsten Mythen und Missverständnisse rund um die Körpersprache kennen, um sie zu vermeiden.
Was sind häufige Missverständnisse bei der Körpersprache von Hunden?
Auch das Zusammenleben mit Knicka begann mit einem Missverständnis: Christiane Jacobs' Hund kratzte sich in verschiedenen Alltagssituationen. Sofort kam der Verdacht einer Futtermittelallergie auf. "Das bestätigte sich aber nicht", berichtet Christiane Jacobs. Nach einiger Zeit erkannte sie, dass ihr Hund sich nicht kratzte, weil er ein bestimmtes Futter nicht vertrug. Er kratzte sich, weil er nicht gerne beobachtet wurde. Sie hatte seine Signale also zuerst falsch interpretiert und die sowieso schon stressige Situation durch ihr weiteres Beobachten noch stressiger gemacht. "Das war eine richtige Spirale", sagt sie.
Häufig verstehen Menschen die Körpersprache bei Hunden falsch. "Oft passiert das auch, weil wir eine Art Hülle über ihr Verhalten stülpen", weiß die Hundeverhaltensberaterin. "Wir beschreiben nicht wertfrei, was wir sehen, sondern interpretieren sofort etwas hinein. Damit stecken wir sie in Schubladen und versperren uns den Blick auf das Wesentliche." Häufige Missverständnisse sind:
- Ein Hund legt den Vorderkörper auf den Boden: Das verstehen viele Menschen als Spielaufforderung – und das kann die sogenannte Vorderkörpertiefstellung auch bedeuten. "Oft ist sie aber die Reaktion auf eine bedrohliche Situation", erklärt Christiane Jacobs. Das frontale Hinlegen bei Hundebegegnungen entspricht häufig einem Stop-Signal: Bis hierher und nicht weiter.
- Ein Hund wedelt mit dem Schwanz: Das kann Freude bedeuten, muss es aber nicht. "Mit der Rute wedeln bedeutet grundsätzlich erst einmal Aufregung", stellt Christiane Jacobs klar. Wenn ein Hund zum Beispiel wedelt, aber gleichzeitig knurrt, sei das keineswegs als Freude zu bewerten – werde aber oft falsch interpretiert. "Der Hund möchte kommunizieren, dass er Abstand möchte."
- Ein Hund geht frontal mit direktem Blickkontakt auf einen anderen zu: "Hier meinen Menschen oft, dass der Hund sich freundlich annähert", sagt Christiane Jacobs. Das Gegenteil sei der Fall. Ein frontales Annähern sei als Drohgebärde zu verstehen. Wollen Hunde sich freundlich annähern, gehen sie in einem Bogen und ohne direkten Blickkontakt auf ein anderes Tier zu. Das wirke deeskalierend.
Die ersten Schritte: Wie verstehe ich die Körpersprache meines Hundes?
Zum Einstieg rät Christiane Jacobs, schrittweise vorzugehen und sich einen Körperteil nach dem anderen anzuschauen: Wie sehen die Ohren aus, wenn das Tier entspannt ist? Welche Stellung haben sie, wenn eine Katze auftaucht? Nach den Ohren könne man sich die Rute, die Körperausrichtung und die Blickrichtung vornehmen. "So lernt man das Beschreiben", sagt Christiane Jacobs. "Man trainiert sein Gehirn und kann nach und nach die ganze Körpersprache wahrnehmen." Hilfreich sei es, Fotos der einzelnen Körperhaltungen zu machen und sich diese immer wieder anzuschauen.
In einem weiteren Schritt könne man lernen, die Veränderungen in der Körpersprache zu beobachten und zu beschreiben. Was man auf keinen Fall machen sollte: mit der Körpersprache bei Hundebegegnungen zu starten. Das sei für die meisten Menschen sehr herausfordernd, weil man ja nicht nur einen, sondern mindestens zwei Hunde beobachten müsse.
Mit intuitiven Vermutungen zur Körpersprache könne man schnell falschliegen, weiß Christiane Jacobs. Daher hat sie für ihr Buch "Sprich Hund" und ihre Website Illustrationen zu den Körperhaltungen anfertigen lassen.
Lies auch: So beugst du Hund-Hund-Aggressionen vor
Was deutet beim Hund auf Angst, Stress oder Aggression hin?
Ist ein Hund ängstlich, deuten meistens alle Schlagzeilen nach hinten oder unten: Die Rute zeigt nach unten, die Ohren sind nach hinten gezogen, das Tier legt sich hin. Ein deutliches Zeichen für Aggression ist – neben dem Knurren – das Nach-vorne-Springen. Stresszeichen sind außerdem laut Christiane Jacobs eine hohe Körperspannung, hektische Bewegungen, Hecheln, aufgestellte Körperhaare und extremes Ziehen an der Leine.
Wie individuell ist Körpersprache bei Hunden?
Hunde sind optisch sehr unterschiedlich. Die Größe, die Ruten- und Ohrenform sind bei jedem Tier individuell. "Besonders wichtig ist daher zu wissen, wie die entspannte Haltung zum Beispiel der Rute und der Ohren des Hundes sind", sagt Christiane Jacobs. Selbst in der Kommunikation zwischen Hunden gebe es manchmal Missverständnisse, was die Stellung der Ohren bedeutet. Die Körpersprache von Hunden ist also durchaus individuell, auch wenn es grundsätzliche Muster gibt.
"Auch gibt es viele Signale, die nicht eindeutig einzuordnen sind", sagt Christiane Jacobs. Als Beispiel nennt sie das Lächeln eines Hundes. Manchmal interpretieren Menschen das "Lefzen heben" eines Hundes als Grinsen oder Lächeln. "Das kann man meistens aber nicht so einfach sagen. Das Heben der Lefzen kann auch eine Drohung sein. Man sollte hier immer die gesamte Körpersprache des Tieres und den Kontext berücksichtigen, bevor man Rückschlüsse zieht."
Lies auch: Alarm, Angst oder Freude? Das bedeutet das Bellen deines Hundes wirklich
Kann ein Hund lernen, sich verständlich zu machen?
"Ja, das kann er!", sagt Christiane Jacobs ganz klar. "Wenn ich auf die Körpersprache meines Hundes reagiere, merkt er, dass er Einfluss nehmen kann." Der Hund nimmt freiwilligen Blickkontakt auf, geht auf die entstehende Kommunikation ein. Bei ihr und ihrer Knicka hat sich die Kommunikation im Laufe der Jahre so weiterentwickelt, dass sie an einer Kreuzung gern "ausdiskutieren", wo sie weitergehen. Der Hund hat gelernt, dass er mitentscheiden kann. Insofern: "Ja, Hunde können sich durch die Körpersprache mitteilen und ihre Bedürfnisse zum Ausdruck bringen." Statt zur Tür zu laufen, reiche es oft schon, wenn ein Hund zur Tür blicke, um zu sagen: "Ich will raus!"
Für Christiane Jacobs versteht es sich von selbst, sich mit der Körpersprache von Hunden zu beschäftigen: "Wenn ich mit jemandem zusammenlebe, will ich doch wissen, wie es ihm geht und was er als nächstes tut." Das Faszinierende für sie: "Es hört nie auf. Ich gehe immer wieder aufs Neue in die Kommunikation – genauso wie mit meinem Partner oder anderen Menschen. Ich lerne nie aus."
Lies auch folgende Beiträge:
Dialog statt Diktat: So geht Kooperation und Mitbestimmung im Tieralltag
Mehr als nur Fressen: Diese Probleme kann eine Ernährungsberatung lösen
Darum ist das Schnüffeln für Hunde wie Social Media
Mensch und Hund im Einklang: Der Einstieg in die Verhaltenstherapie